Nach Wahltarifen, Zusatzbeitrag, und „Pflege-Bahr“ geht der hemmungslose Umbau unseres Sozialversicherungssystems immer weiter, warnt unser Experte Heiko Weiershäuser. FDP-Gesundheitsminister Bahr will nun das Kartell-Recht auf die gesetzliche Krankenversicherung ausdehnen.
Man muss sich das so vorstellen:
- Er zwingt die Krankenkassen durch die Vorschriften im Sozialgesetzbuch V, gemeinsam Verträge mit den Ärzteverbänden für eine gerechte Honorierung der Ärzte abzuschließen.
- Wenn sie das gemacht haben, greift das Kartell-Recht, weil es sich dann um eine unzulässige Preisabsprache handelt
Eine solche Unsinnigkeit versteht wahrscheinlich nur er, kommentiert unser Gesundheitsexperte!
Kritik daran wird abgewiegelt mit dem Argument, es seien ja auch Selektivverträge möglich. Selektivvertrag, was heißt das für einen Wolfhager Arzt: Jeder Arzt soll also demnächst dann Einzelverträge mit jeder Krankenkasse abschließen ! Mit 150 Krankenkassen !? Da kann man sich doch nur noch an den Kopf fassen, meint Heiko Weiershäuser, wie die von der FDP so großspurig verkündete "Entbürokratisierung im Gesundheitswesen" vollzogen wird !
Schlimmer aber noch, als diese völlig abstruse Auswirkung sind die weiteren möglichen Konsequenzen. Zurzeit werden die deutschen gesetzlichen Krankenkassen von der EU nicht als Unternehmen angesehen – sie sind ja auch Körperschaften öffentlichen Rechts. Wenn aber die deutsche Gesetzgebung ihre eigenen Krankenkassen wie Unternehmen behandelt, warum sollte die EU dann an dieser Auffassung festhalten ? Die Folgen wären dramatisch, erklärt Heiko Weiershäuser, der seit fast 30 Jahren als Kundenberater für die Patienten tätig ist:
- Der staatliche Bundeszuschuss, mit dem unter anderem die Mutterschutzhilfe sicher gestellt werden soll, wäre dann eine nach EU-Recht „unerlaubte Subvention“ ! Herr Schäuble würde sich wohl sehr freuen, wenn er diesen Zuschuss nicht mehr zahlen müsste. Wer aber zahlt dann die Milliarden ? Ganz einfach: die Patienten/Versicherten über die Zusatzbeiträge !
- Wenn in den Groß-Städten keine weiteren Ärzte zugelassen werden (da dort eine Überversorgung herrscht), weil in ländlichen Gebieten Ärzte händeringend gesucht werden, stellt dies nach EU-Recht einen unerlaubten Eingriff in den Wettbewerb dar. Mit der Folge, dass ländliche Bereiche immer weiter ausbluten und der demografische Wandel nur noch verstärkt wird.
- Auch die bisher gut funktionierenden Zulassungen von Medikamenten durch den „Gemeinsamen Bundesausschuss“, in dem Kassenvertreter wie auch Mediziner vertreten sind, wäre dann gefährdet. Denn wenn dieser ein neues Medikament wegen fehlender Wirksamkeit nicht zulassen würde, bedeutet dies nach EU-Recht einen unerlaubten Eingriff in den Wettbewerb.
- Und auch die Zulassung, Ablehnung und Honorardotierung neuer Therapien wäre nach dem gleichen Prinzip nicht mehr möglich.
All das ist für den Normalbürger doch völlig unverständlich – es sei denn, man blickt ein wenig tiefer in die Abgründe der Gedanken. Mit diesem Schritt will die FDP eine weitere Privatisierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Nutznießer ist dann wieder nur die Klientel (= Spender?) der FDP.
Unter dem Vorwand, mehr Wettbewerb zu wollen, sollen die Patienten den Gewinnbestrebungen des Marktes unterworfen werden. Am Markt werden sich aber nur die Starken durchsetzen, die Interessen der Schwachen (= Patienten!) gehen da völlig unter – das haben die Nieten in Nadelstreifen mit ihrem Handeln in der Bankenkrise eindrucksvoll demonstriert !
Ohne diese bewährten und wirkungsvollen Kontrollinstrumente aber verkommt unser Gesundheitswesen zu einem Selbstbedienungsladen und der Versorgungsauftrag, nämlich allen Menschen in diesem Land eine gleich gute Gesundheitsversorgung zu ermöglichen, gehörte der Vergangenheit an.
In der kurzen Zeit der FDP-Gesundheitsminister Rösler und Bahr ist im Gesundheitswesen mutwillig mehr Solidarität zerstört worden, als in den letzten 100 Jahren zusammen !
Das Kartell-Recht sollte verschärft gegen die Abzockerei z.B. bei Benzin und Diesel eingesetzt werden, nicht aber völlig unnötigerweise die einzig wirksamen Kontrollstrukturen im Gesundheitswesen zerstören.
Wir wehren uns dagegen und setzen uns für eine solidarische Bürgerversicherung nach der Bundestagswahl 2013 ein, damit unser bewährtes Gesundheitssystem, um das wir in der Welt beneidet werden, nicht länger dem Privatisierungswahn einzelner Gruppen unterliegt, sondern fit gemacht wird und gesund in die Zukunft durchstarten kann.