Die gut besuchte Informationsveranstaltung zur Zukunft des Bahnhofs konnte am Donnerstag, 9. Febr. sicher einige Klarheit schaffen, lies aber auch Fragen offen. Deutlich wurde, dass sich die Berichterstattung zur Politik in der Türkei und den undemokratischen Aktivitäten der dortigen Regierung bis in die lokale Politik auswirkt. Die Rolle des Türkischen religiösen Dachverbandes Ditib beherrschte große Teile der Veranstaltung. Dabei trat die Diskussion zu den lokalen Gegebenheiten und den Entscheidungsgründen in den Hintergrund, viele wichtige Punkte wurden nur gestreift bzw. gar nicht angesprochen. Auch das Angebot, Fragen an die Fraktionen zu richten, die die Entscheidung über die Fördermittel letztlich getroffen haben, wurde leider nicht genutzt.
Daher möchten wir hier noch auf einige Punkte eingehen:
Der Wolfhager Bahnhof verfällt seit vielen Jahren, der bisherige Eigentümer hat nichts zur Erhaltung der Substanz übernommen. Das durch die verbesserte Infrastruktur mit Regiotram und Busbahnhof immer stärker genutzte Eingangstor zur Stadt wurde zum Schandfleck. Für das Gebäude gab es lange Jahre weder einen geeigneten Investor noch realistische Ideen, gemeinsam mit der Stadt ein neues Nutzungskonzept zu entwickeln. Aufgrund der finanziellen Lage Wolfhagens, des Sanierungsstaus am Gebäude und der zu erwartenden Folgekosten kam und kommt ein Erwerb durch die Stadt nicht in Frage. Vor nunmehr rund drei Jahren entschloss sich dann der türkische Kulturverein, den Bahnhof vom bisherigen privaten Eigentümer zu erwerben, um Ersatzräume für das bestehende Kulturzentrum in der Triangelstraße zu schaffen. Der Kauf erfolgte über den Dachverband Ditib, der dem örtlichen Kulturverein vertraglich die vollen Nutzungsrechte zusicherte. Von diesem Zeitpunkt an konnte der Verein im Rahmen der geltenden Vorschriften frei über das Gebäude verfügen. Er entwickelte Ideen für die künftige Nutzung und erarbeitete die Finanzierung Das Förderprogramm Aktive Kernbereiche, von dem schon viele Gebäudeeigentümer in Wolfhagen profitieren durften, bot nun die Gelegenheit, gemeinsam mit der Stadt ein Konzept zu entwickeln, das alte Gebäude einer für alle sinnvollen Nutzung zuzuführen. Dazu gehören die dringend benötigten öffentlichen Toiletten am Bahnhof, ein Kiosk und Seminarräume, die allen Wolfhagerinnen und Wolfhagern zur Verfügung stehen. Sogar zur Betreuung der Toiletten hat sich der Verein verpflichtet. Die Errichtung von sanitären Anlagen in Eigenregie der Stadt wäre übrigens nicht billiger geworden als der jetzige städtische Zuschuss und hätte zusätzliche jährliche Kosten für die Betreuung und Unterhaltung bedeutet.
In der intensiven Diskussion spielte neben dem Raumkonzept, der äußeren Gestaltung und der Höhe der finanziellen Unterstützung natürlich das Thema Ditib eine große Rolle. Ausführliche wurden die eventuellen Auswirkungen auf der politischen Großwetterlage auf die Situation hier in Wolfhagen besprochen und das Für und Wider einer Unterstützung des Projektes durch die Stadt abgewogen.
Die beschlosssene Fördersumme orientiert sich nicht an den Gesamtkosten des Gebäudes sondern am unrentierlichen Anteil für die der Allgemeinheit dienenden Einrichtungen. Der schließlich am 30. Juni 2016 gefasste Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, das Vorhaben aus Mitteln des Projekts Aktive Kernbereiche einschließlich eines städtischen Eigenanteils von rund 70.000 € zu fördern wurde schließlich auf der Basis lokaler Gründe getroffen. Die SPD-Fraktion trägt diesen Beschluss nach den vorausgegangenen intensiven Diskussionen und Abwägungen mehrheitlich. Eine andere realistische Alternative für den Bahnhof gab es nicht.
Schon lange besteht ein gutes Verhältnis zwischen Bürgern mit türkischen und deutschen Wurzeln, das sich insbesondere auch bei den örtlichen Festen und an den Arbeitsplätzen zeigt. Die türkische Gemeinde ist seit Jahren integriert und viele Familien leben inzwischen in der dritten Generation hier. Mit der Sanierung und der neuen Nutzung des Bahnhofs bieten sich Möglichkeiten des gegenseitigen noch besseren Kennen- und Verstehen- Lernens. Zudem wird das Bahnhofsgelände erheblich aufgewertet. Die türkische Gemeinde bekommt angemessene Räume für ihre Aktivitäten, denn deren altes Haus erfüllt die Anforderungen schon seit längerem nicht mehr. Für die SPD- Fraktion betrachtet die städtische Beteiligung an diesem Projekt als vorteilhaft für alle Bürgerinnen und Bürger Wolfhagens. Sie ist eindeutig die bessere Alternative gegenüber der strikten Abgrenzung von Teilen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die Weltpolitik können wir nicht ändern, aber wir können dazu beitragen, dass trotzdem bei uns ein friedliches und verständnisvolles Miteinander möglich ist. "Mit Ausgrenzung und Misstrauen wurden noch nie Probleme gelöst. Die meisten Ängste entstehen durch Unkenntnis, Vorurteile und einseitige Informationen und können nur durch gegenseitiges Kennenlernen abgebaut werden.“ so Fraktionsvorsitzender Manfred Schaub, „wir möchten nicht, dass der Bahnhof weiter vor sich hin gammelt und der Türkische Kulturverein sein Zentrum an anderer Stelle isoliert realisiert“.